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Vorleseheldin Gina findet's "unglaublich"

[06.03.2013] Sie ist elf Jahre alt, besucht die Klasse 6b der Karl-Trunzer-Schule, mag Pferde und ihr Hobby ist Lesen! Wer hätte das gedacht? Anders lässt sich ihr Erfolg beim Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandelns auch nicht erklären. Völlig überraschend ließ die Werkrealschülerin beim Kreisentscheid in Mosbach vor wenigen Tagen alle Konkurrenten aus Haupt-, Werkreal-, Realschulen und Gymnasien hinter sich und holte sich die Startberechtigung für Mannheim. In anderen Worten: Gina Jacobs vertritt nun am Freitag, 19. April, den Neckar-Odenwald-Kreis beim Bezirksentscheid in Mannheim.

 

"Jetzt sind alle aufgerufen... außer ich", blickte Gina Jacobs bei der Vergabe der Teilnahmeurkunden unsicher in die Runde. Die Beine fest auf dem Boden, das Buch mit beiden Händen umklammert, wandte sie sich fragend nach rechts und links - nach rechts zu ihrer Klassenlehrerin Ines Waldherr, nach links zu Mama Ramona. Doch auch ihre beiden Begleiterinnen konnten die Fragezeichen im Gesicht nicht entfernen. Von Sekunde zu Sekunde wurde dem Trio klarer, was das bedeuten könnte. "Ja, Gina, du vertrittst den Neckar-Odenwald-Kreis in Mannheim", sprach Karl-Heinz Harst, Buchhändler und Hausherr der Mosbacher Bücherei "Bücher am Käfertörle", das bisher gut gehütete Geheimnis aus, und die Jury-Vorsitzende Claudia Senghaas winkte der Buchenerin mit der Startberechtigung für Mannheim.

Die hatte inzwischen mit beiden Händen und dem Buch ihr Gesicht bedeckt und suchte erst einmal die Bestätigung von links und rechts, ehe sie sich unter dem Applaus des Publikums kopfschüttelnd auf den Weg nach vorne machte, sich gratulieren ließ, zwei Buchgeschenke und die Startberechtigung in Empfang nahm, und gleichzeitig strahlend wie kopfschüttelnd ihren Weg zurück auf ihren Stuhl bahnte. Dort konnte Mama Ramona ihre Freudentränen nicht ganz unterdrücken und Lehrerin Ines Waldherr war die Überraschung ins Gesicht geschrieben. "Unglaublich!", war das einzige Wort, das Gina Jacobs in diesem Moment heraus brachte. Dass es beim Lesen gut gelaufen war, wusste sie. Aber Erste!?

Dann leerte sich die Bücherei. Und die neue Vorleseheldin war erstmal überfordert. Mit einer Mischung aus Stolz und Dankbarkeit im Blick schaute sie nochmal kurz bei der Jury vorbei, ehe sie das Handy zückte und ihre in Waldstetten mitzitternde Tante Biene informierte. "Ich habe gewonnen!" Pause. "Doch, echt!", waren die wichtigsten Worte der nun folgenden Anrufe. Ehe sie beschloss: "Und jetzt fahren wir heim." Im Auto - beim Tippen der SMS an die Freundinnen aus der Klasse - ließ sie den Tag nochmals Revue passieren: Die "Generalprobe" vor ihren Klassenkameraden, die ihr noch den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag an die Hand gaben; die vielen Wünsche und motivierenden Worte, die sie ihr mit auf den Weg gaben, und die ersten sechs Schulstunden des Tages, die heute so schwierig waren, "weil ich doch so nervös war und es einfach nicht mehr erwarten konnte!"

Während ihre Klassenkameraden nämlich von Anfang an von ihrem Sieg überzeugt waren, wollte sie einfach nur, dass es 14.15 Uhr ist, um endlich losfahren zu können. In Mosbach ging nach einer heißen Schokolade der Wettbewerb los; und schon bald zeigte sich, dass an diesem Nachmittag alles passen muss, um mithalten zu können. "Boah, der war voll gut!" , zollte sie einigen Konkurrenten großen Respekt und erkannte schnell, dass hier eine andere Leistung erwartet wird als noch beim Klassen- und später beim Schulentscheid. Doch statt unter diesem Druck "zusammenzubrechen", meisterte die Sechstklässlerin ihre Sache richtig gut und zeigte eine souveräne Leistung. 

Die vorbereitete Passage aus James Krüss' Buch "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" war gut gewählt; Gina Jacobs' sicheres Auftreten, ihre flüssige Vorleseweise und die passende Betonung taten ein Übriges - und so schwappte die Spannung des Textes von dem mit rotem Samt überzogenen Vorlesestuhl aus schnell auf das Publikum und die Jury über, die scheinbar auch von der Vorstellung des Buches und der gut verständlichen Hinführung zur vorgetragenen Textstelle angetan war. Auch damit nämlich holt man beim Vorlesewettbewerb, der übrigens bereits zum 54. Mal ausgetragen wird und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht, entscheidende Punkte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gina mit ihrer Klassenlehrerin Ines Waldherr

im Leseraum der Karl-Trunzer-Schule

 

 

Das Ende des Ganzen ist bekannt. Ein großer Tag ging gegen 20 Uhr zu Ende; die Glückwunsch-Orgien am nächsten Tag allerdings erst los... Umarmungen, Händeschütteln, Glückwünsche und auch ab und zu ein Küsschen - die Sechstklässlerin war sehr gefragt. Doch zum Ausruhen bleibt der Siegerin eigentlich keine Zeit. Denn am 19. April steht in Mannheim der Bezirksentscheid an  - mit einem anderen Buch, einer neu vorzubereitenden Passage und vielen neuen Konkurrenten -nämlich all den Kreissiegern, die dem Schulamt Mannheim angehören. Noch ist Gina Jacobs nicht nervös, doch erste Bücher werden schon gewälzt, Tipps entgegen genommen und die Veranstaltung in Gedanken durchgespielt. Ob es da wohl eine Tribüne gibt? Wo wohl die Jury sitzt? Wie viele Zuhörer da sein werden? Fragen über Fragen, die sie in gut einem Monat alle beantworten können wird

 

Wie gesagt: Die Qualifikation war für die Elfjährige schon "unglaublich". Aber noch unglaublicher wird sicher das Gefühl, bei einem der größten Schülerwettbewerbe deutschlandweit (ca. 620 000 Teilnehmer) als Vertreterin des Neckar-Odenwald-Kreises den Vorlesestuhl zu besteigen... 
 
Text: Ines Waldherr, KTS